Pflegegrade: Die neuen Pflegestufen 2017

2017 traten das Zweite und Dritte Pflegestärkungsgesetz in Kraft. Wichtigste Neuerung sind die fünf Pflegegrade, die das System der drei Pflegestufen ersetzen. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde generalüberholt. Jetzt zählt nicht mehr nur die Pflegezeit, sondern der tatsächliche Anspruch. Pflegebedürftigen soll dadurch besser geholfen werden.

Versicherung im Pflegefall

Wer im Alter oder durch eine Erkrankung auf Pflege angewiesen ist, erhält hierfür Leistungen aus seiner Pflegeversicherung. Diese übernimmt im Pflegefall einen Teil der entstehenden Kosten. Da die Pflegeversicherung verpflichtend ist, zahlen die meisten Menschen bereits während ihres Arbeitslebens entweder in die soziale Pflegeversicherung (SPV) (wenn sie auch gesetzlich krankenversichert sind) oder in die private Pflegepflichtversicherung (PPV) ein. Hinzu kommt bei beiden Systemen die Möglichkeit, eine private Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit kann die sogenannte Hilfe zur Pflege beantragt werden.

Übrigens: Das System der Pflegeversicherung unterscheidet sich in einigen Punkten stark von dem der Krankenversicherung. Unser allgemeiner Ratgeber zur Pflegeversicherung erklärt Schritt für Schritt die wichtigsten Eckpunkte.

Bevor eine Pflegeversicherung allerdings tätig wird und Leistungen auszahlt, muss das Mitglied oder ein Bevollmächtigter zuerst einen Antrag bei seinem Versicherer stellen. Daraufhin hat der Versicherer fünf Wochen Zeit, über den Antrag zu entscheiden. Wichtigster Punkt hierbei ist das Pflegegutachten, das zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit angefertigt wird. Pflegebedürftig ist, wer aufgrund einer Krankheit oder Behinderung für die alltäglichen Verrichtungen des Lebens Hilfe benötigt.

Die Gutachter

Die soziale Pflegeversicherung lässt das Gutachten in der Regel von Experten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erstellen. Für die private Pflegeversicherung übernimmt das die Gesellschaft Medicproof. Zuletzt können aber auch unabhängige Gutachter hinzugezogen werden.

Die Pflegestufen bisher

Dabei benötigen nicht alle Pflegebedürftigen den gleichen Leistungsumfang, um eine adäquate Pflege zu ermöglichen; manche brauchen mehr, manche weniger Betreuung. Deshalb ist die Einordnung des Antragstellers in einen der Pflegegrade zentraler Bestandteil des Gutachtens. Diese Grade geben an, wie stark der Betreuungsbedarf ist und damit wie hoch die Leistungen aus der Pflegeversicherung ausfallen. Je höher der Pflegegrad, desto höher der monatliche Betrag, den die Versicherung zahlt.

Bisher wurde die Pflegebedürftigkeit in drei Pflegestufen gemessen. Dabei spielte der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Konkret stellten die Gutachter nämlich fest, wieviel Zeit täglich nötig ist, um eine Person zu pflegen. In diesem Zusammenhang war auch relevant, wieviel der täglichen Pflegezeit auf die körperliche Grundpflege entfällt und wieviel auf hauswirtschaftliche Dienste, also etwa Lebensmittelbesorgungen. Der notwendige tägliche Zeitaufwand bestimmte über die Pflegestufe. Doch diese Methode zur Bestimmung des Pflegebedarfs wurde den Anforderungen der Pflegebedürftigen oft nicht gerecht.

Das neue System der Pflegegrade 2017

Seit 2017 wird die Pflegebedürftigkeit daher in fünf Pflegegrade eingeteilt. Dabei beurteilen die Gutachter künftig sehr viel stärker als bisher den tatsächlichen Betreuungsbedarf. Es wird nun nicht mehr starr die Bedürftigkeit aus der aufzuwendenden Pflegezeit abgeleitet. Vielmehr zählt die körperliche und geistige Verfassung des Antragstellers. Diese wird in sechs Bereichen beurteilt:

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Die Selbstständigkeit einer Person wird also in diesen sechs Bereichen eingeschätzt. Die Gutachter beurteilen, in welchem Maße der Antragsteller fähig ist, sich selbst zu versorgen und wie weit er körperlich oder geistig eingeschränkt ist, seinen Alltag zu meistern. Der Hilfebedarf kann so stärker individuell ermessen werden, von leichteren Formen der Einschränkung bis hin zum Härtefall.

Pflegeversicherung: Leistungen steigen

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz steigen die Gesamtleistungen, die an Pflegebedürftige ausgezahlt werden. Künftig erhalten mehr Personen mehr Pflegeleistungen. Denn einerseits gilt für die Umstellung zum neuen System Bestandsschutz, das heißt, niemand erhält schlechtere Leistungen als bisher oder verliert gar vielleicht seinen Pflegestatus. Andererseits werden aber viele Pflegebedürftige hochgestuft und erhalten durch ihren neuen Pflegegrad mehr Leistungen, als sie bisher in ihrer Pflegestufe bekommen haben. Konkret staffeln sich die Leistungen der sozialen und der privaten Pflegeversicherung wie folgt:

Ambulante Pflege Stationäre Pflege
  Pflegegeld / Sachleistung Teilstationär / Vollstationär
Pflegegrad 1 0 €  / 0 €   0 € / 125 €  
Pflegegrad 2 316 €  / 689 €   689 € / 770 €
Pflegegrad 3 545 €  / 1298 € 1298 € / 1262 €
Pflegegrad 4 728 €  / 1612 € 1612 € / 1775 €
Pflegegrad 5 901 €  / 1995 € 1995 €  / 2005 €

Leistungen bei ambulanter Pflege

Grundsätzlich ist es möglich, dass Betroffene entweder stationär (zum Beispiel in Pflegeheimen) oder ambulant gepflegt werden, also etwa in der eigenen Wohnung. Die ambulante Pflege können spezielle Pflegedienste übernehmen. Damit diese bezahlt werden können, erhält der Betroffene ab dem Pflegegrad 2 die sogenannte Pflegesachleistung; sie ist an diesen Zweck gebunden.

Wer sich stattdessen von Familienangehörigen oder Ehrenamtlichen pflegen lässt, erhält dafür das zweckungebundene Pflegegeld. Dieses kann an die Pfleger weitergegeben werden. Eine Kombination beider Leistungen ist möglich, wenn der Betroffene die Dienste von professionellen Pflegediensten nicht in vollem, ihm zustehenden Maße nutzt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er sich an einigen Tagen in der Woche stattdessen von Angehörigen pflegen lässt. Dann kann er zusätzlich Pflegegeld beantragen.

Leistungen der stationären Pflege

Wer seine Pflege nicht zu Hause, sondern in einer Pflegeeinrichtung in Anspruch nimmt, erhält dagegen zweckgebundene Leistungen zur teilstationären bzw. vollstationären Pflege. Da eine solche Pflege bedeutend kostenintensiver ist als eine ambulante, fallen hier die Leistungen der Pflegeversicherung auch höher aus. In der Regel liegt das Heimentgelt einer solchen Einrichtung aber dennoch über dem Pflegesatz. Daher nutzen viele auch das Modell der teilstationären Pflege. Ein typischer Fall: Pflegende Angehörige sind berufstätig und müssen tagsüber arbeiten. Die Pflege übernimmt für diesen Zeitraum dann das Pflegeheim. In einem solchen Fall zahlt die Pflegeversicherung Leistungen zur teilstationären Pflege sowie Pflegegeld.

Leistungen sind nicht kostendeckend

Um die Mehrleistungen der künftigen Jahre zu finanzieren, wurden sowohl die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, als auch zur privaten Pflegepflichtversicherung angehoben. Gesetzlich Versicherte zahlen künftig einen Beitrag von 2,55 Prozent ihres monatlichen Bruttogehalts. Wer mit 23 Jahren noch kinderlos ist, zahlt einen erhöhten Beitrag von 2,8 Prozent. Auch in der privaten Pflegeversicherung steigen die Kosten für die Mitglieder. Die Beiträge werden hier allerdings individuell anhand des Alters und des Gesundheitszustands des Versicherten gebildet.

Trotz der Beitragserhöhungen ist die Pflegeversicherung aber auch weiterhin keine Vollversicherung. Das heißt, sie übernimmt nur einen Teil der möglichen Kosten. Das kann allerdings schnell zu einer Versorgungslücke führen. Denn Kosten, die durch die Pflege entstehen und nicht über die Pflegeversicherung abgedeckt sind, muss der Pflegebedürftige dann aus eigener Tasche zahlen. Das bedeutet eine finanzielle Belastung, die schnell die gesamten Ersparnisse aufbrauchen kann. Wenn dann weiterhin Kosten anfallen, müssen Angehörige – zum Beispiel die Kinder über den Elternunterhalt – einspringen. Wer darauf oder auf die Beantragung von Hilfe zur Pflege verzichten möchte, sollte eine private Pflegezusatzversicherung abschließen. Mit einer solchen Versicherung können die größten Kosten aufgefangen werden und der Pflegefall wird nicht zum finanziellen Ernstfall.

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